Freitag, 20. März 2009

Arbeitende Eltern

Manchmal ärgere ich mich. Ich ärgere mich, dass ich nicht genau so dreist bin wie andere. Ich könnte es mir auch ganz nett einrichten. Ich gehe einfach nicht arbeiten, laufe zum Amt und kassiere Geld vom Staat. Und dann setze ich mich gemütlich zu Hause auf den A*sch und bespaße entspannt mein Kind. Ich ärgere mich, dass ich mich rechtfertigen muss, dass ich arbeiten gehe. Manchmal ärgere ich mich auch über meinen Stolz. Selten ärgere ich mich darüber, dass ich Vorurteile gegenüber Sozialschmarotzern habe. Sind doch auch nur Menschen!

Ich wäre nicht die Erste, die das so handhabt -und ganz sicher wäre ich nicht die Einzige. Allerdings habe ich keine Lust, vor irgendwelchen Behördenmitarbeitern die Hosen herunter zu lassen. Ich will einfach nicht vom Staat abhängig sein! Jetzt kommt das paradoxe: das bringt mir Kritik ein! Hallo?! Ach so, je mehr HartzIV-Mamis, desto besser, oder wie? Ich verstehe das nicht ganz. Offenbar leben viele Menschen in anderen Lebensrealitäten als ich. Mehrfach wurde ich gefragt, warum ich denn nicht zu Hause bleibe und die Zeit mit meinem Kind genieße. Also erkläre ich es heute wenigstens hier mal etwas ausführlicher. Ich will nicht jammern, sondern nur mal meine Gedankengänge relativ unsortiert darlegen.

Ich hatte ein Gehalt, dass mir ein normales Leben ermöglicht hat. Keine großen Sprünge möglich, aber immerhin das Alltagsleben war abgesichert. Hätte ich mir ein neues Auto kaufen wollen, wäre es ohne Kredit und lange Überlegungen, wo ich das Geld einsparen soll, nicht gegangen. Mein Freund hat genau so ein Gehalt. Für einen allein ist es ok. Nun haben wir zu dritt einen Monat davon gelebt. (Eine Erfahrung, die wir damals zu zweit schon so ähnlich in der Schwangerschaft machen durften/mussten.) Und, sorry es klingt jetzt bitter, das geht definitiv nicht! Einfach so. Reicht eben nicht. Grund? Wir sind beide trotz unseres hohen Alters immer noch relative Berufsanfänger. Da wird man mit Geld nicht unbedingt beworfen. ;) Und ich habe einfach keinen Bock mehr, 1 Woche lang von Nudeln mit roter Soße leben zu müssen. Das war im Studium ok, jetzt will ich das nicht.

In der Elternzeit war es vom Auskommen ok. Wir haben es sogar geschafft, etwas zu sparen. Aber ohne zusätzliches Geld klappt es einfach nicht. Und ganz ehrlich gesagt, stinkt es mich an, wenn ich um Geld "betteln" muss. Genauso fühlt sich das nämlich für mich an. Und da ist es mir egal, ob ich meinen Freund um Geld für Kleidung angehen muss oder einen Antrag beim Amt stelle. Also gehe ich arbeiten und trage so zum Lebensunterhalt unserer Familie bei. Sicher, ich hätte kein Problem damit, mehr Zeit mit meinem Kind zu verbringen. Und natürlich sind Wochenenden mit der ganzen Familie etwas tolles. Aber am Wochenende verdiene ich eben deutlich mehr Geld. Und warum soll ich (für die gleiche Arbeit!) weniger Geld haben wollen?!

Ah, ich höre sie schon alle brüllen: dann soll der Mann halt mehr arbeiten! Klar, das ginge aber nur mit Nebenjob. Dafür hätte er dann nur am Wochenende Zeit. Guter Plan? Nein, finde ich nicht. Er ist für seinen Vollzeitjob mal locker von 4:50 Uhr bis 15:45 Uhr außer Haus. Das sind fast 11 Stunden. Allerdings nur, wenn die öffentlichen Verkehrsmittel pünktlich fahren und nicht einfach ausfallen. In den Wochen, in denen er Spätdienst hat, grusele ich mich abends immer gepflegt. Denn oft ist er von 13:50 Uhr bis 0:00 Uhr unterwegs. Reichlich spät für meinen Geschmack. Und nachdem unser Auto am Bahnhof schon einmal aufgebrochen wurde, ist mir auch klar, was sich nachts für Gestalten herum treiben... Zurück zum Thema!

Staatliche Unterstützung gibt es ja nicht ganz ohne Gegenleistung. Ich finde, bevor ich auf einem Formblatt meine sämtliche Finanzen offenlege, muss es mir schon sehr schlecht gehen. Denn wenn ich mir Statistiken anschaue sagen die eindeutig: wer einmal auf Hilfe angewiesen ist, bleibt dies mit Kind auch für längere Zeit. Will ich nicht! Ich habe eine Bekannte ohne Kind, die von HartzIV lebt und bei Rossmann an der Kasse arbeitet, seit sie vor über 2 Jahren mit ihrem Studium fertig wurde. Und ich kann damit nicht gut umgehen! Es nervt mich, kotzt mich an, regt mich auf, wenn ich mir so viel geballte Faulheit ansehe. Und sicher gibt es Gründe, warum eine allein erziehende Mutter plötzlich auf Hilfe angewiesen sein kann; für mich würde dieses "geschenkte Geld" immer ein komisches Gefühl im Magen hinterlassen. Aber 1. KANN man bedürftig werden, nicht muss, 2. PLÖTZLICH, nicht dauerhaft. Ich finde, sein Leben so einzurichten, dass man immer auf andere angewiesen ist, ist falsch. Hinzu kommt noch, dass ich in einer Gegend lebe, in der lange Kindererziehungszeiten eher die Ausnahme sind. Jetzt dürfen alle mal raten, wo ich wohne! :D

Außerdem kommt für mich noch dazu, dass arbeiten gehen auch Lebenszufriedenheit bringt. Ich bekomme wieder ganz andere Anregungen, bin mal raus aus dem Mamitrott, bekomme positives Feedback und Anerkennung -auch vom Vater. Ohne meinen Job am Wochenende hätte er wohl nie gemerkt, was ich tagtäglich leiste. Klar, die ersten Wochenenden hat er sich nicht mit Ruhm bekleckert. Am allerersten Tag alleine mit Kind hat er den Zwerg gekonnt zur Oma abgeschoben, weil er "einkaufen musste". 2,5 Stunden lang?! Nun ja, die Meinungen über Sinn und Unsinn dieser Aktion gehen familienintern weit, weit auseinander. Die nächsten 2 Wochenenden hat er einfach außer Kind bespaßen nichts erledigt. Also blieb der Wochenendkram bis Montag für mich liegen. Allerdings hatte er dann 2 Wochenenden mit einem kranken und deswegen teils auch übellaunigem Kind zu absolvieren. Ich glaube, das brachte die Wende. Seitdem ist die Wertschätzung für meine Leistungen im Haushalt deutlich gestiegen. Und ohne Job wäre das wohl nie eingetreten.

Etwas, dass mir auch wichtig ist: was lebe ich meinem Kind vor. Will ich, dass er weiß, meine Eltern sind stark, die geben sich immer große Mühe und strengen sich für uns an? Oder soll er lernen, wenn es mal nicht so rund läuft, steckt man den Kopf in den Sand und wartet ab? Worauf eigentlich? Variante 1 ist mir am sympathischsten. Wir leben hier in einer Gegend, die sicher kein sozialer Brennpunkt ist. Also sind Negativbeispiele selten. Aber das eine, das mir spontan einfällt, verdeutlicht mir, wie leicht man in falsche Verhaltensmuster fallen kann. Allein erziehende Mutter, Kind 4 Jahre, Freund lebt auch vom Staat. Die Kindergärten hier haben Bringepflicht bis 9:00 Uhr. Ich stelle mir das schon schwierig genug vor für die Erzieher, den Überblick zu behalten. Jedenfalls bin ich montags hin und wieder bei meiner Mutter. Um 10 vor 9 wird dann das Kind heftigst zur Eile angetrieben. Manchmal fährt sie die paar Meter zur Kita sogar mit dem Fahrrad; der Kleine sitzt dann auf dem Gepäckträger -ungesichert übrigens. Sie ist also, obwohl sie alle Zeit der Welt hat, nicht in der Lage, ihr Kind zur Pünktlichkeit zu erziehen. Und ich schätze mal, dass ist nur die Spitze des Eisbergs. Vom wem soll der Kleine also lernen, dass es wichtig und lohnend ist, sich morgens gut auf den Tag vorzubereiten und die Zeit zu planen? Von seiner Mutter sicher nicht! Und so ein Leben kann ja wohl ernstlich niemand für sein Kind wollen. Wir merken uns: zu viel Zeit kann zu Zeitnot führen... Struktur im Leben ist wichtig, finde ich.


Worauf ich ja eigentlich hinaus wollte, ist folgendes:

Ich finde es leichter, mein Leben zu genießen, wenn ich für meinen Lebensunterhalt selbst sorge, meinem Kind (auch materiell!) etwas bieten kann und ein abwechslungsreiches Leben führe. Wir arbeiten in dieser Familie alle daran, "weiter" zu kommen. Der Vater hofft firmenintern auf eine bessere Stelle. Ich habe mich in das Bewerbungskarussell geworfen. Stillstand ist Untergang. Und z.B. ein Urlaub, auf den man hinarbeitet, ist was ganz tolles! Das kann ich dann auch so richtig genießen!

4 Kommentare:

Sylvia hat gesagt…

Ach Katja, so viel Text, du bist so wütend !

Ich bin auch wütend.

Ich bin wütend darüber, dass selbst junge Mütter das Erziehen von Kindern selbst schlechtreden mit dem Wort "Bespaßen". Dass sie Mütter (und theoretisch natürlich auch Väter), die weniger berufstätig sind als sie selbst, schnell mal als "faul" bezeichnen.

Es steht außer Frage, dass ganz viele Familien nur mit einem Gehalt kaum noch überleben können. Es muss eine Infrastruktur geschaffen werden, bei der sich auch für Frauen eine gute Ausbildung lohnt.

Der Weg darf aber nicht dazu führen, dass man nur noch die externe Kinderbetreuung immer weiter ausbaut, sondern man muss an anderer Stelle ansetzen. Erziehung muss gesellschaftlich einen ganz anderen Stellenwert bekommen. Es muss sich für junge Männer beruflich positiv auswirken, wenn sie eine Familienzeit mitgemacht haben, Stichwort social skills. Teilzeit für alle, Mann und Frau, flexiblere Arbeitszeiten, Home Office - all das gehört dazu.

Solange Frauen sich aber gegenseitig angreifen, und es schick ist, wenn junge Mütter stolz von der Mehrfachbelastung reden, können sich große Teile der Gesellschaft gemütlich zurücklehnen. Ab in die Krippe, und fertig.

Eltern leisten sehr viel. Im Idealfall ziehen sie künftige Steuerzahler heran. Dafür Transferleistungen zu erwarten, ist nicht der Ruf nach Almosen, sondern ein Deal. Wenn Kindererziehung nur noch Privatvergnügen ist, brauchen wir uns nicht zu wundern, wenn wir in 40 Jahren im Altersheim von Pflegekräften versorgt werden, die eine andere Sprache sprechen als wir, die aussterbende Nation.

Du gibst ja selbst zu, dass (auch) finanzielle Gründe mit für euer Lebensmodell ausschlaggebend sind. Dein Kind ist noch klein, es gibt (noch oder vielleicht für immer) keine Geschwister, und du hast eine Oma zur Verfügung. Ich bin sicher, bei einer echten Wahlmöglichkeit würde so manche Mutter, die so vehement für Unabhängigkeit und möglichst viel Berufstätigkeit kämpft, recht schnell einen "gemütlichen" Teilzeitjob wählen.

Der Vergleich mit gewissen Ländern wird gerne herangezogen. Ich habe seit Jahren eine deutsche Freundin, die in Skandinavien lebt und dort ihre Kinder großzieht. Auch im Norden (oder in Frankreich z.B.) sind keineswegs alle Familien so glücklich mit dem Modell, zwei Vollzeitstellen, Kinder ganztags betreut. Es ist nur politisch nicht korrekt, sich dazu kritisch zu äußern.

Frau Haase hat gesagt…

Wie wärs denn, wenn du statt in deiner Firma zu arbeiten gemütlich daheim sitzen würdest, das Kind bespaßt und nebenbei das eine oder andere Nähen und damit Geld verdienen würdest?? Dann hättest du beides, Kindererziehung und Geld verdienen! Soll sehr "in" sein, sowas! Und andere Muttis bekommen das auch hin, trotz Kinder! ;)

(Sie lasen einen Beitrag aus der Reihe "unqualifizierte und nicht ernstzunehmende Kommentare".)

Sylvia hat gesagt…

Frau Haase,

also wirklich ! Ich kenne Sie ja nicht, aber ich weiß sehr wohl, was Sie meinen.

Bitte beachten Sie die angedeuteten Kleinigkeiten, die nur zwischen gewissen Blogzeilen stehen. Mit genug Drumherum wuppt die moderne Mutter doch alles, und zwar läassig, mit links, erfolgreich und fröhlich.

Ich hätte da mal 'nen Schnupfen, ich leg mich hin. Vielleicht fällt 'ne Oma vom Himmel, die Junior abholt und die Brut bespaßt ;-)

Auch nicht so ganz ernst gemeint ;-)

Anonym hat gesagt…

ich finde schon, dass man bei diesem Thema ruhig auch mal was ernst meinen darf. es ist leider schon so weit, dass sich jede Frau angegriffen fühlt, wenn man sie fragt, warum sie nicht bei ihrem Kind ist. Dabei finde ich das eine berechtigte Frage, die ich auch dem Vater stelle. Umgekehrt wird der Hausfrau die Frage gestellt, warum sie nicht arbeitet. Warum denkt Frau nciht mal zuerst an sich und das Kind und macht es sich selbst recht? oder liegt genau das problem? das Frau vor lauter gesellschafltichem Zwang schon gar nicht mehr weiß, was sie eigentlich möchte?