Donnerstag, 8. Januar 2009

Heute vor einem Jahr

Für alle Zartbesaiteten: gleich wird es hier sehr untenrum! Mit Schweiß, Blut und nackigen Menschen. Bitte nicht weiter lesen, falls Ekel vor allzu viel Menschlichem vorhanden ist. Aber hey, das hier ist MEIN Blog! ;)



Ich war unheimlich schwanger. So schwanger wie man nur sein kann. Dick, rund, unbeweglich. Der errechnete Termin war der 13. Januar 2008. Meine Mutter hatte im Oktober einen Traum. Sie träumte, sie käme mich besuchen und meine Hebamme sei bei mir. Im Hintergrund hörte sie ein Kind schreien. Als sie fragte: "Oh nein! Ist es etwa schon soweit? Welchen Tag haben wir denn heute?" Antwortete meine Hebamme ihr im Traum: "Heute ist der 8.Januar." Ich glaube übrigens nicht an "solchen Kram". Meine Mutter auch nicht. Aber trotzdem...

Durch den Streß mit dem Umzug des (werdenden) Vaters Ende November 2007, hatte ich ja schon einen einwöchigen Krankenhausaufenthalt hinter mir. Vorzeitige Wehen, streßbedingt. Toll! Die Wehen hatten mich seit Oktober beinahe täglich begleitet. Ich hatte mich schon fast daran gewöhnt.

Heute Abend war meine beste Freundin mit ihrem 15 Jahre alten Puber-tierchen zum Karten spielen bei uns. Mehr als Karten spielen ging auch nicht mehr. Hat aber echt irren Spaß gemacht! Aber nach 3 Stunden konnte ich einfach nicht mehr sitzen. Schlimme Rückenschmerzen! Wie eigentlich jeden Abend seit 4 Monaten... Gegen 18 Uhr habe ich die Beiden dann freundlich heim geschickt. Gegen 20 Uhr rief dann meine andere Kollegen-Freundin an. Im Gespräch kamen mal wieder "meine" Wehen. Nach 15 Mintuten fiel mir auf, dass diesmal die Abstände nicht wie sonst wieder länger wurden. Ich sagte noch so im Scherz, dass es nun ja wohl hoffentlich bald so weit sei, sonst würde ich bald platzen. Nebenbei bat ich den (werdenden) Vater, mir ein Bad einzulassen. Meine Freundin2 telefonierte danach noch mit Freundin1 und erzählte ihr davon. Ernst genommen hat das niemand. :)

In der Wanne war dann plötzlich klar: es geht los. Ich wußte es einfach. Genau, wie meine Hebamme es mir erklärt hatte. "Man weiß es einfach. Das kann dir niemand erklären!" Erst habe ich geheult. Kein Witz! Ich hatte plötzlich solche Angst. Angst, weil schwanger sein das eine ist und eine Entbindung etwas völlig anderes. Angst, ob alles gut geht. Angst vor der Zukunft. Schaffen wir 2 das? Werden wir gute Eltern? Werde ich eine gute Mutter sein?

Dann habe ich den (werdenden) Vater gebeten, Marei (meine Hebamme) anzurufen. Sie fragte mich nach den Abständen (alle 6 Minuten), der Intensität (alles wie immer) und meinem Wünschen. Ich wollte zu Ende baden. Dann sollte sie kommen. Wir wollten ja so lange wie möglich hier bleiben. Sie fragte, ob sie sich beeilen solle. Ich fand das nicht nötig. Die Idee, dass sie erst noch duscht und dann kommt war echt ok für mich. 2 Wehen später kamen die Schmerzen heftiger und alle 4 Minuten. Das machte den Ausstieg aus der Badewanne ein wenig kompliziert. Und die Idee, dass meine Hebamme noch unter der Dusche stand, fand ich nun völlig sch***! Sofort sollte die hier sein!!! Am besten vorhin!

Sie kam dann auch nach nur 30 Minuten bei uns an. Wie sie das geschafft hat, ist mir ein Rätsel. Offenbar hat sie sich sehr beeilt.

Ich saß jetzt im Wohnzimmer und atmete und wehte so vor mich hin. Als Marei mich untersuchte, waren "wir" gerade mal bei lumpigen 4 Zentimetern. Ich meine "Hallo?!" 4 Zentimeter? Ich hatte schon vorher immer 2 bis 2,5 cm! Deswegen war ich sogar schon im Krankenhaus. Das konnte ja noch heiter werden! Ich war so richtig schön am Schwitzen.

Wie so viele hatte ich ja einen genauen Plan, was ich anziehen wollte. Ich wußte, was ich auf dem Weg in den Kreißsaal tragen wollte. Und für die Entbindung hatte ich auch schicke Sachen. Es endete in Schluffiplünnen. Anders kann man mein Outfit nicht beschreiben. Ich hatte einfach irgendwas an. Fertig! Altes T-Shirt, doofe Hosen, häßliche Unterwäsche. Und es war mir so egal.

Gegen 22:00 Uhr wurde mir kotzübel. Mir war so schlecht. Örgs! Genau jetzt kam die (werdende) Oma. Meine Mutter war nämlich der offizielle, bestellte und eingeschworene Hundesitter. Meine arme Mama sah mich da also auf dem Sofa sitzen, grau im Gesicht, verschwitzt, einen Eimer in den Händen. Und dann sah sie auf einmal aus, als ob sie gleich weint. Und das hat mir dann die Tränen in die Augen getrieben. Marei hat sie beruhigt und ihr gesagt, die Übelkeit sei nur ein Zeichen, dass es voran ginge. Aber sie sah nicht aus, als ob sie ihr geglaubt hätte.

Als sie gegangen war, kontrollierte Marei nochmal: 4 Zentimeter! Ich war richtig sauer. So viele Wehen, Schmerzen, Übelkeit für (gefühlt) NIX! Die Wehen kamen mittlerweile fast minütlich. Ich wollte nun langsam ins Krankenhaus, obwohl ja eigentlich noch nicht so viel passiert war.

Der Weg bis in den Kreißsaal ist mir noch ziemlich gut in Erinnerung. Ich hatte Angst, nicht laufen zu können. Das ging jedoch erstaunlich gut. Bis ins Auto mußte ich "nur" 2x würgen. Im Auto fand ich sogar meinen Humor und meine Zuversicht wieder. Als wir an einer großen Ampel warten mußten, witzelten wir rum. Erst kam so etwas wie "hier stehen wir nie wieder ohne Kind". Dann meinte ich noch, dass der (werdende) Vater ja von hier aus laufen könne, falls das Kind im Auto käme. Das fand er dann nicht mehr sooo lustig. "Wann schaltet die verdammte Ampel endlich auf grün?!?"

Wie durch ein Wunder fanden wir einen Parkplatz in der Nähe des Eingangs. Von dort ging flotten Schrittes in den Fahrstuhl. (Ok, ich prahle!) Rechthaberisch wie ich bin, mußte ich ja den Knopf drücken. Guter Plan, miese Umsetzung. Wegen der Nervosität, der Hormone und der allgemeinen Umstände verfehlte ich den Knopf. Wir ham dann ma rasch dit halbe Krankenhaus per Lift besichtigt. ;) Ich fand das am nächsten Tag lustig.

Ab etwa Kreißsaaltür fehlen mir größtenteils die Erinnerungen. Das, was ich angeblich getan und gesagt habe, wurde mir später (mehrfach) berichtet. Ich schreibe einfach mal, was ich alles durch eigene Erinnerungen und Erzählungen weiß. Im Vorbereitungsraum, wo man VOR der Entbindung am CTG liegen muß, bin ich dann wohl endlich mal ein bißchen aus mir raus gekommen. Ich hatte da von Zeit zu Zeit so seltsame Schmerzen -mal von den altbekannten Wehen abgesehen. Preßwehen! Aaaaah! Die hatte ich völlig vergessen! Sehr schmerzhaft. Und irgendwie wurde mir das alles zuviel. Ich wolllte heim. Ins Bett. Decke druff und schlafen! Genau das habe ich dann erst dem (werdenden) Vater erklärt und danach Marei. Als mir von diesem Plan abgeraten wurde, hab ich angefangen laut zu schimpfen. Alle hätten mich angelogen. Keiner hätte mir gesagt, dass das soooo weh täte! Ich war sehr beleidigt. Und ich wollte was gegen die Schmerzen. Am liebsten eine Vollnarkose mit Kaiserschnitt. Mindestens eine PDA. Oder ne Spritze. Oder Tabletten oder Tropfen. Irgendwas eben. SOFORT!!! Ich kann mich an den Teil nicht erinnern. Nur schemenhaft. Dem (werdenden) Vater ist die Szene offenbar immer noch lebhaft in Erinnerung. Er holt das gerne mal raus und erzählt mir davon. Ich halte mir dann immer die Ohren zu und bestreite, so etwas getan zu haben. Das entspricht mir üüüüüüüüüüüüüüüberhaupt nicht! :)))

Ich durfte dann in den Kreißsaal. Im Untersuchungsraum, durch den wir durch mußten, saß eine Schwangere. Sie sei sehr blaß gewesen und hätte mich sehr verängstigt angesehen, behauptet der (werdende) Vater.

Im Kreißsaal ging dann wieder alles seinen Gang. Ich atmete. Ich wehte. Ich lernte den Arzt kennen. Gut, den mochten wir alle! Das war der gleiche, der schon im November so freundlich und ruhig mit uns gesprochen hatte, als ich knapp an einer Frühgeburt vorbei geschliddert bin. Meine Hebamme hat ihn informiert, dass wir ihn erst zur eigentlichen Geburt rufen würden. Er war einverstanden. Und schlurfte davon. Schlafen. Der Glückliche, wie ich ihn beneidete!

Der (werdende) Vater hat im Kreißsaal alles richtig gemacht. Er hat sich im Hintergrund gehalten. Hat brav meine Hand gehalten. Hat mich NICHT gestreichelt. Hat mich an Entspannung und ruhiges Atmen erinnert. Er war einfach da. Das ist immer noch eine sehr gute und ruhige Erinnerung für mich.

Ich wollte nicht liegen. Also durfte ich aufstehen. Ging nicht. Tat sehr weh. Sitzen ging auch nicht also doch liegen. Plötzlich mußte ich dringenst pi.e.seln. Klo? Nöö, aufstehen tut zu weh. Trotzdem wollte ich hoch. Ich hatte es bis auf den Bettrand geschafft. Und dann konnte ich einfach nicht. Sehr frustrierend! Gerade als ich mich wieder hinlegen wollte, machte es laut zadeng! und ich hatte nasse Socken. Na endlich! Also doch wieder hoch. Unterlagen wechseln. Der (werdende) Vater hatte nichts mitbekommen und verstand das ganze Getue nicht. Sehr witzig, sein verwirrter Gesichtsausdruck.

Dem Kleinen ging es die ganze Zeit über super. Marei hatte das CTG schön leise gestellt. Wir hörten sein kleines Herzchen immer im Hintergrund schlagen. Nette Musik hatte sie uns auch angemacht. Und das Licht so weit wie möglich gedämpft. Es war eigentlich eine sehr kuschelige Atmosphäre. Ich habe übrigens wirklich etwas bekommen. Eine Spritze i.m. mit irgendwas. Könnte etwas Bus.copan gewesen sein. Süß von ihr. Denn wir hatten ja vorher besprochen, dass ich nichts in Richtung PDA will. Der (werdende) Vater hat sich wohl zwischendurch mit Blicken mit ihr verständigt. Mein Getobe und Geschimpfe wurde richtig einsortiert. Meine Hebamme ist schon ziemlich klasse!

Irgendwann nach endlosem Wehenveratmen, sah ich, wie Marei besorgt auf das CTG schaute. Auch der (werdende) Vater konzentrierte sich verstärkt auf das Gerät. Marei rief den Arzt. Ich habe nur mitbekommen, dass die Herztöne abgefallen waren. In dem Augenblick war mir der Zusammenhang nicht klar. Offenbar streßte die Geburt den kleinen Mann kräftig! Der Arzt schaute auf den Ausdruck, untersuchte mich kurz und meinte, während er sich die Hände rieb, "Den holen wir uns jetzt!" Und los ging's. Endlich durfte ich bei den Preßwehen mitarbeiten. Und was sag ich? ES! TUT! WEH! Nach endlos langer Zeit meinte der Doc dann, ich solle jetzt richtig Gas geben. Der Kopf sei schon zu sehen. Ob ich mal anfassen wolle? Nein! Und bei der nächsten Wehe bitte kräftig schieben. Ups! Wehe verpaßt. Noch eine verpaßt. Die waren auch gar nicht sooo schlimm. Blick von meiner Hebamme. Plötzlich ist bei mir wieder die absolute Kontrolle über Zeit, Raum und Gedanken vorhanden. Und die Erkenntnis: das ist der Moment, den Marei im Vorbereitungskurs erwähnte. Der Moment, in dem Nichts mehr geht. Frauen, die behaupten, da seinen keine Wehen mehr und sie wollen jetzt eigentlich heim gehen. Ich schaute sie an und fragte: "Ich muß jetzt mitmachen, ja?" Sie grinste und nickte. Dann legte ich los.

B. Mein Sohn. Warm. Noch ganz naß. Laut schreiend. AUF meinem Bauch, nicht mehr darin. Ich war so glücklich und stolz. Als ich den (werdenden) Vater anschaute, liefen ihm die Tränen in Sturzbächen über das Gesicht. Ich habe mich erschrocken. Und ihn gefragt, was los sei. Ich hatte plötzlich Angst, dass mit meinem perfekten kleinen Baby etwas nicht stimme. Entwarnung! So viele Tränen, weil die Freude und das Glück übermächtig waren! Der Fotoapparat wurde gezückt und es entstanden die bisher gruseligsten Fotos von mir.

Wie ich da so lag und mir den Hals verrenkte, um mein Kind endlich mal so richtig zu sehen, wurde es warm. Ih! Ferkel! *kicher* Und dann noch mal! Iiiiiiiiiiih! Marei hat gut gelacht! Und ich klebte so vor mich hin, während der Doc Röschen auf mich stickte. Anders kann ich mir nicht erklären, was er da so lange machte. Nach einer Stunde und mehreren teils recht lauten Diskussionen über die Notwendigkeit von Schmerzmedikation (die ich gewann!), war er dann endlich fertig.

Unser Kind wurde danach gemessen, gewogen, gesäubert und angezogen. Zeit für die nächsten Fotos. Marei machte das erste offizielle Kreißsaal-Bild. Der Vater dokumentierte danach jeden ihrer Schritte. Die Bilder sind alle sehr ...äh, authentisch! ;) Nix fürs Fotoalbum, sozusagen. Jetzt freute ich mich so auf ein Glas Sekt. Der lag schon seit Oktober im Kühlschrank. Und ich hatte noch im größten Gwehe daran gedacht, dass er eingepackt würde. Leider hatte der Vater vergessen, das edle Gesöff aus der Tasche heraus zu nehmen und zu kühlen. Es war so enttäuschend! Lauwarme Plörre. *jammer* Egal! Wir haben auf unser Baby angestoßen. Wir konnten es immer noch nicht so richtig fassen. Hach!

Seitdem hat sich mein Leben komplett geändert. Vor allem hat mich dieser Tag sehr glücklich gemacht. Heute vor einem Jahr fuhren wir ins Krankenhaus. Morgen wird unser Baby schon ein Jahr alt. Es ist unglaublich! Aber ich sehe seine Geburtstagstorte hier stehen...

Wir lieben dich von ganzem Herzen, kleiner großer Schatz!

4 Kommentare:

Frau Haase hat gesagt…

Toll geschrieben!
Viel Spaß beim Geburtstag feiern!

Katja hat gesagt…

Danke! :)

Es war super! *schwärm* Ich bin immer noch ganz hin und weg. Von den Gästen, dem tollen Kind, den vielen Geschenken -und dem Sekt! ;)

Anonym hat gesagt…

Siehst Du, jezt funktioniert es! Bei den anderen beiden Optionen hätte ich irendwo einen Account gebraucht. Also hier ncoh mal:

Was für ein schöner, eindrucksvoller Text zu einem unfassbaren Erlebnis. Alles Gute dem kleinen großen Wunder und Glückwünsche zu Deinem ersten Muttergeburtstag...

Katja hat gesagt…

Danke!

(Für die Glückwünsche UND für den Tipp, an den Einstellungen zu schrauben...) :)